Leseprobe Oaks Harbor: Klavierklänge, Pucks & eine zweite Chance

Leseprobe Oaks Harbor: Klavierklänge, Pucks & eine zweite Chance

Kapitel 1

Rebecca 

Da stand ich nun. Allein und verlassen, mit zwei Koffern aus meinem alten Leben neben mir auf dem Bürgersteig, vor meinem Elternhaus. Tief seufzend griff ich nach dem Gepäck und straffte die Schultern.

Auf in den Kampf …

»Boah, Mom. Das sind nur Granny und Pops, nicht die …«

Wie bei einem Film riss die dramatische Musik, die mir passenderweise in diesem Moment durch den Kopf lief, ruckartig ab. Nur ein Teenager vermochte es, diesen bedeutungsvollen Augenblick zu zerstören. Okay, vielleicht war das ein bisschen theatralisch. Aber die Quintessenz traf zu: Ich war allein und verlassen. Auch wenn ich das Verlassen übernommen hatte, nachdem ich einen gewissen Teil dieses Widerlings im Mund seiner vierundzwanzigjährigen Sekretärin hinter dem Schreibtisch vorgefunden hatte, als ich ihn in der Mittagspause überraschen wollte. Kurz hatte ich mich gefragt, wie es sein musste, einen mit diesen aufgespritzten Lippen geblasen zu bekommen. Dann hatte sich der Anblick allerdings in meinen Verstand vorgearbeitet. Zielstrebig war ich auf Alistair zugestapft und hatte ihm eine gescheuert, sodass er mit einem lauten Schmatzen aus besagtem Mund geflutscht war. Bei dem Geräusch hätte ich mich am liebsten übergeben. Aber um mir keine Blöße zu geben, hatte ich die Schultern gestrafft und war hocherhobenen Hauptes aus dem Büro meines zukünftigen Ex-Mannes stolziert.

Zuhause hatte ich das Nötigste in Koffer gestopft, die Kinder eingesammelt und mich in den Wagen gesetzt, um die zweihundert Meilen von Chicago in meine Heimatstadt Oaks Harbor zu fahren. Und hier stand ich nun. Meine Eltern, Miriam und Peter, wussten noch nicht, dass die Kinder und ich in der nächsten Zeit bei ihnen Unterschlupf suchen würden. Zumindest bis zum Ende der Sommerferien, wenn für Charlotte das neue Schuljahr begann.

Oaks Harbor war eine typische Kleinstadt am Lake Michigan im gleichnamigen Bundesstaat. Die Stadt lebte von Klatsch und Tourismus – in dieser Reihenfolge. Die beschaulichen Straßen säumten überwiegend Einfamilienhäuser, die auf das Herz des Ortes zuliefen, den Stadtkern mit den zahlreichen Einzelhandels- und Souvenirläden, ein paar Bars und Restaurants. Dank der Highschool, die auch von den Schülern der umliegenden Ortschaften besucht wurde, gab es ein Footballstadion und eine Eishockeyhalle.

Mein Elternhaus reihte sich perfekt in das Bild von Oaks Harbor ein. Vom Fußweg führte ein gepflasterter Pfad durch den gepflegten Vorgarten bis zur Veranda. Das Haus mit den weißen Wänden und blauen Akzenten war im viktorianischen Stil erbaut und hatte bereits meinen Großeltern gehört. Bei ihrem Einzug als Frischvermählte und dann erneut vor einigen Jahren hatten meine Eltern es renoviert, damit es nicht der Zeit zum Opfer fiel.

In diesem Moment öffnete sich die blau gestrichene Haustür und meine Mutter trat auf die Veranda. Wie immer trug sie die braun gefärbten Haare zu einem lockeren Bob geschnitten. Vor ein paar Jahren waren sie noch naturbraun gewesen, bevor die Zeit an ihr zu nagen begonnen hatte.

»Rebecca? Was macht ihr denn hier? Hätten wir wissen müssen, dass ihr kommt?« Ohne mir die Gelegenheit zu geben, auf ihre Fragen zu antworten, drehte sie sich um und rief ins Haus: »Peter, unsere Tochter steht vor der Tür.«

»Rebecca? Was macht die denn hier? Ist sie allein gekommen?«

Wie ein Fisch nach Luft schnappend stand ich vor der Verandatreppe und wartete auf den passenden Moment, um wenigstens eine der vielen Fragen beantworten zu können. Im nächsten Augenblick quietschte Ben im Arm seiner großen Schwester und streckte die Hände nach Granny aus. In seinem pausbäckigen Gesicht war ein strahlendes Lachen zu sehen. Mein kleiner Sonnenschein. Wir hatten das verlängerte Wochenende vom vierten Juli vor ein paar Wochen erst gemeinsam mit meinen Eltern in einem Ferienhaus auf halber Strecke zwischen Chicago und Oaks Harbor verbracht. Offensichtlich konnte Ben sich noch an Granny, die den ganzen Tag mit ihm gespielt hatte, da sie ihn so vergötterte, erinnern.

Diese kam mit ausgestreckten Armen die Verandastufen hinuntergeflogen und zog ihre beiden Enkelkinder in eine Umarmung. Trotz ihrer fünfzehn Jahre ließ Charlotte die herzliche Begrüßung über sich ergehen. Für Außenstehende mochte mein eishockeyspielender Teenager tough wirken, aber im Herzen war sie nach wie vor ein kleines Mädchen, das Granny und Pops über alles liebte. Ebenso wie sie ihren kleinen Bruder mit Zuneigung überhäufte. Auch wenn fast vierzehn Jahre zwischen Charlotte und unserem Oops-Baby lagen, waren die beiden ein Herz und eine Seele. So sehr, dass ich aufpassen musste, sie nicht als Babysitter für Ben zu beanspruchen. Nur weil mein Taugenichts von einem Noch-Ehemann und ich nicht in der Lage waren, nach fast achtzehn Jahren Beziehung ordnungsgemäß zu verhüten, musste Charlotte nicht für die Missgeschicke ihrer Eltern büßen. Abgesehen davon, dass Ben ein wirklich bezauberndes Missgeschick war. Auch wenn seine Ankunft alles andere als geplant gewesen war, wollte ich ihn um keinen Preis der Welt jemals wieder hergeben.

Mom nahm Charlotte ihren Enkel ab und wandte sich mir zu. Mit hochgezogener Augenbraue fragte sie nach, während sie mir ebenfalls eine ihrer berüchtigten Umarmungen gab, wenn auch nur mit einem Arm. »Also, was verschlägt euch nach Oaks Harbor?«

»Das würde ich auch gern wissen, Granny. Mom hat nichts gesagt. Sie hat einfach unsere Sachen gepackt und dann sind wir aus dem Nichts hierhergefahren.«

Mich unwohl fühlend wand ich mich unter den Blicken meiner Mutter und Tochter. Dass die beiden den gleichen intensiven, keinen Bullshit duldenden Blick draufhatten, machte die Sache nicht besser. Mom konnte ich nichts vormachen, das wusste ich, aber eine ausführliche Erklärung musste warten, bis wir allein waren. Ich wollte Charlotte so lange aus dem Drama zwischen Alistair und mir heraushalten, wie es ging.

»Wir mussten einfach mal raus. Die Ferien haben sich so gezogen und wir brauchten einen Tapetenwechsel. Außerdem war es in Chicago unerträglich heiß und stickig. Hier lässt sich der Sommer doch einfach viel besser aushalten.«

O je, ich hatte zu dick aufgetragen. Es war beinahe schon gruselig, wie sowohl Mom als auch Charlotte jeweils eine Augenbraue in die Höhe gezogen hatten und mich aufmerksam anblickten. Wie erwartet ließ Mom sich mit dieser Erklärung nicht abspeisen, aber ein Blick auf die Kinder sagte mir, dass sie es fürs Erste gut sein lassen würde.

»Nun gut, dann kommt mal rein. Das Abendessen ist gerade fertig.« Mit Ben auf dem Arm marschierte sie die Verandastufen hoch und betrat das Haus. Charlotte griff nach den beiden Koffern, die ich bereits aus dem Auto geholt hatte, und folgte ihr. Als ich mich dem Kofferraum zuwandte, um unsere restlichen Sachen hervorzuholen, bemerkte ich, dass mein Vater neben mich getreten war.

»Hallo, mein Liebes.« Umarmungen lagen in der Familie und ehe ich mich versah, war ich in den Fängen einer väterlichen Version davon gelandet. Weil die Kinder bereits im Haus verschwunden waren, erlaubte ich mir für einen Moment, mich fallen und von Dad auffangen zu lassen. »Ist ja gut, Kleines. Wir bekommen das schon wieder hin.«

Mein Dad. Aus blaugrauen Augen, die meinen so ähnlich waren, sah er auf mich herunter. Die grauen Haare standen auf dem Kopf zu Berge. Typisch für ihn, da er sich im Laufe des Tages immer wieder mit den Fingern hindurch fuhr. Trotzdem kämmte er sie sich jeden Morgen ordnungsgemäß.

»Danke, Daddy.« Schniefend löste ich mich und wischte mit den Zeigefingern die Tränen unter den Augen fort, die sich dort gesammelt hatten.

Gemeinsam brachten wir die restlichen Sachen ins Haus und traten kurz darauf an den gedeckten Tisch im Esszimmer, an das sich die Küche an der Rückseite des Hauses über eine Schiebetür anschloss. Ben saß in unserem alten Hochstuhl, den meine Eltern aufgehoben hatten, und aß bereits voller Hingabe die Nudeln, die vor ihm in einer kleinen Schüssel standen. Mit einem Krug in der Hand verteilte Charlotte die selbstgemachte Limonade meiner Mutter auf die Gläser, die auf dem Tisch standen. Mom trug gerade eine große Auflaufform aus der Küche herein.

Für einen Moment ließ ich den Anblick auf mich wirken. Auch wenn unser Aufbruch aus Chicago ungeplant und überhastet verlaufen war, fühlte es sich wie die richtige Entscheidung an. Hier in meiner Heimatstadt, bei meinen Eltern, würde ich in Ruhe Wunden lecken und mir über die nächsten Schritte klar werden können.

Nach dem Essen schnappte ich mir meinen mit Tomatensoße vollgeschmierten Wirbelwind, um ihn fürs Bett fertig zu machen. Beim Gehen bemerkte ich, wie Charlotte unaufgefordert ihren Großeltern beim Tischabräumen half. Mein Teenager war schon ein echter Rowdy …

Ben umzuziehen und zum Schlafen hinzulegen, ging erstaunlich einfach. Ich hatte kaum sein Lieblingslied Twinkle Twinkle, Little Star zu Ende gesungen, da waren die Augen schon geschlossen und seine Brust hob und senkte sich langsam. Die Aufregung des Tages hatte ihn eindeutig erschöpft.

Da ist er nicht der Einzige, dachte ich schwermütig, als ich mir das Gegenstück des mitgebrachten Babyphones von der Kommode schnappte und leise die Tür zum Gästezimmer schloss. Während Charlotte im Zimmer meiner jüngeren Schwester Janett schlafen würde, hatte ich für Ben ein Reisegitterbett im Gästezimmer aufgestellt. Zuhause in Chicago hatte er zwar bereits ein größeres, aber hier bei meinen Eltern gab es nur die Möglichkeit mit dem Reisebett.

Beim Gedanken an Chicago breitete sich Schmerz in meiner Brust aus und nahm mir fast die Luft zum Atmen. Durch die Tränen sah ich den Flur vor mir nur noch verschwommen. Mit den Händen stützte ich mich auf meinen Oberschenkeln ab und versuchte, wieder Herrin über meine Gefühle zu werden. Charlotte war noch unten bei ihren Großeltern. Auf keinen Fall durfte sie ihre Mutter so aufgelöst sehen, wenn ich nicht mit Fragen, auf die ich zum derzeitigen Zeitpunkt keine Antworten hatte, bombardiert werden wollte.

Nach ein paar Minuten hatte ich das Gefühl, das Schlimmste überstanden zu haben. Langsam richtete ich mich wieder auf und zog mein Handy aus der Hosentasche. Ich hatte seit Stunden keinen Blick darauf geworfen und es, nachdem ich aus Alistairs Büro gestürmt war, auf stumm geschaltet, weil er direkt versucht hatte, mich zu erreichen.

Als ich die Benachrichtigungen sah, schloss ich frustriert die Augen. Zehn Anrufe, drei Mailboxnachrichten, fünf Textnachrichten. Mit einem Seufzen wollte ich das Handy ausschalten. Das konnte bis morgen warten.

Aber so etwas wie ein schlechtes Gewissen meldete sich. Er war schließlich der Vater der Kinder und wusste nicht, wo sie sich aufhielten. Wenigstens Bescheid sagen, wo wir waren, könnte ich ihm, damit er sich keine Sorgen machte und womöglich die Polizei rief. Alistair war alles zuzutrauen.

Gleichzeitig meldete sich aber auch eine Stimme in mir, die äußerst zynisch klang. Wenn es um die Betreuung und die Versorgung unserer Kinder ging, war immer ich dafür zuständig gewesen. Als ich überraschend mit Ben schwanger geworden war, hatte Alistair mir unmissverständlich klar gemacht, dass für ihn ein Kind ausreichend sei und ich somit allein für seine Versorgung verantwortlich wäre; schließlich standen bei ihm beruflich einige Veränderungen bevor, die er nicht vermasseln durfte.

Dass er mindestens genauso verantwortlich für die ungeplante Schwangerschaft gewesen war, hatte er mit einem Winken abgetan. Ich ging also nicht davon aus, dass er sich wirklich Sorgen um die Kinder und mich machte. Aber da das schlechte Gewissen partout nicht weichen wollte, schließlich war ich schon immer jemand gewesen, der es allen recht machen wollte, öffnete ich den Chat mit Alistair. Ich schrieb ihm kurz und bündig, dass ich für die restlichen Sommerferien mit den Kindern bei meinen Eltern war und erst einmal Ruhe von ihm haben wollte, um über alles nachdenken zu können.

Zufrieden schaltete ich das Handy anschließend aus und steckte es zurück in meine Jeansshorts. Mit einem tiefen Atemzug und einem erzwungenen Lächeln nahm ich die Treppe nach unten und gesellte mich zu meinen Eltern, die mit Charlotte auf der hinteren Veranda saßen. Solange Charlotte noch wach war, würde ich zumindest der Inquisition, die unausweichlich kommen würde, entgehen. Vielleicht war heute ja ein Abend, an dem Charlotte ausnahmsweise etwas länger wach bleiben durfte, überlegte ich mir. Es waren schließlich Sommerferien und sie konnte morgen ausschlafen.

 

Tatsächlich war Charlotte, die Verräterin, kurz nach meiner Ankunft auf der Terrasse mit der Aussage, dass die lange Fahrt sie geschlaucht hatte und sie noch ihre beste Freundin Jamie anrufen wollte, auf ihr Zimmer gegangen. Die Fragerunde meiner Eltern hatte also nicht lange auf sich warten lassen.

Nun, am nächsten Morgen, saß ich auf der vorderen Veranda in der Sonne und trank meinen zweiten Kaffee des Tages. Die Fragen am Vorabend hatten mich ausgelaugt, vor allem, da die Erlebnisse noch taufrisch waren und ich selbst noch keine Gelegenheit gehabt hatte, über alles in Ruhe nachzudenken und mir die nächsten Schritte zu überlegen. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes vor allem geflohen, ohne groß darüber nachzudenken. In dem Moment hatte es sich einfach richtig angefühlt. Dennoch hatte ich meinen Eltern und mir selbst keine zufriedenstellenden Antworten geben können.

Entsprechend kurz und unruhig war die Nacht gewesen. Dankbar hatte ich genickt, als Mom sich die Kinder geschnappt hatte, um mit ihnen durch Oaks Harbor zu spazieren, während Dad schon früh zu seiner Praxis aufgebrochen war. Mein Vater war Allgemeinmediziner für unser kleines Städtchen und betrieb die eigene Praxis seit sechsunddreißig Jahren. Kurz vor meiner Geburt hatte er sie von einem älteren Kollegen übernommen und in seiner Laufbahn als Arzt nie etwas anderes gemacht. Die Einwohner von Oaks Harbor schätzten ihn mit seiner ruhigen und einfühlsamen Art als ihren Hausarzt und Dad ging in seiner Arbeit voll auf.

Er war es auch gewesen, der Mom am gestrigen Abend immer wieder beruhigt hatte, wenn das Temperament mit ihr durchgegangen war. Am liebsten wäre sie sofort nach Chicago aufgebrochen, um ihrem Schwiegersohn den Hintern aufzureißen. Nachdem Dad ihr das erfolgreich ausgeredet hatte, wollte sie umgehend einen Plan für die Kinder und mich aufstellen, wie es weitergehen sollte. Auch dabei hatte er sie fürs Erste bremsen können.

In aller Seelenruhe saß ich nun auf der Veranda, sog die Morgensonne, die mir ins Gesicht schien, auf und genoss einen Kaffee. Im selben Augenblick hörte ich, wie nebenan jemand aus dem Haus trat. Langsam drehte ich den Kopf zur Seite, um der Nachbarin meiner Eltern einen guten Morgen zu wünschen. Allerdings trat nicht die alte Mrs. Rubenstein aus der Haustür. Der Kaffee in meiner Hand blieb auf halbem Weg zwischen Mund und Tischplatte in der Luft stehen. Hatte ich den Becher gerade genommen, um einen Schluck zu trinken, oder wollte ich ihn auf dem Tisch abstellen?

Ich wusste gar nicht, dass Mrs. Rubenstein einen Enkelsohn hatte. Noch dazu einen so gut gebauten. Was machte er da?

Verwirrt legte ich den Kopf zur Seite. Er kam mit einer Schubkarre, die ziemlich voll beladen wirkte, aus dem Haus, spazierte über eine Rampe von der Veranda in den Vorgarten und verschwand anschließend um die Ecke aus meinem Blickfeld. Ich hörte ein Rauschen und Knallen, dann tauchte der Unbekannte mit dem dunklen Vollbart und – trug er ein Man Bun? – wieder auf. Gerade wollte er die Schubkarre die Rampe wieder hinauffahren, da fiel sein Blick auf mich. Nun war es an ihm, den Kopf zur Seite zu neigen. Ohne ein sichtbares Anzeichen der Anstrengung stellte er die Schubkarre ab und kam durch die aneinandergrenzenden Vorgärten auf mich zu. Ruckartig setzte ich mich auf. Dabei schwappte etwas Kaffee aus der Tasse. Zum Glück war er nicht mehr heiß, dachte ich und verzog das Gesicht. So unauffällig wie möglich versuchte ich, die Hand an meiner Hose abzuwischen. Das war ja ein toller erster Eindruck.

»Sieh mal einer an, die kleine Becky Sawyer.«

Ruckartig flog mein Kopf nach oben. Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete ich mein Gegenüber. Wie konnte er es wagen? So hatte mich seit der Highschool-Zeit niemand mehr genannt! Wir kannten uns ja nicht einmal …

»Du hast keine Ahnung, wer ich bin, oder?« Belustigt schob sich ein Mundwinkel nach oben. Nicht viel, es konnte auf keinen Fall als ein Lächeln durchgehen. Irgendetwas an ihm irritierte mich. Ich hätte schwören können, dass ich den Vollbart und Man Bun noch nie in meinem Leben zuvor gesehen hatte. Aber die dunklen Augen kamen mir bekannt vor. Holy …

»Maxwell Irving?«, fragte ich und riss die Augen auf. Aber das konnte nicht sein. Er war der Nerd der Oaks Harbor High gewesen. Klein, schmächtig, schlau. Immer auf sich allein gestellt. Nie im Leben …

»Es hat dir doch früher nie die Sprache verschlagen, Becky«, brummte er. Er klang verstimmt, dennoch konnte ich nicht verhindern, dass mir bei der tiefen Stimme ein Schauer über den Rücken lief. Was ging hier vor sich?

Fahrig strich ich mit meiner Hand auf und ab. »Ich hätte einfach nie gedacht …«, unsicher unterbrach ich mich. Egal, was ich sagen würde, es würde unhöflich klingen. Und ich war nicht unhöflich.

»Was? Dass sich der kleine Nerd der Oaks Harbor High doch noch zu einem echten Mann entwickeln würde? Glaub mir, da bist du nicht die Erste.« Sichtlich grimmig wandte er sich ab.

Wie in Trance saß ich auf dem Schaukelstuhl und wusste, dass ich etwas sagen musste. Aber was nur? »Maxwell …«, begann ich zögerlich.

Er winkte nur ab, während er bereits auf dem Rückweg zum Nachbarhaus war. »Lass gut sein, Becky. Und es heißt Max«, hörte ich ihn noch grummeln. Er griff nach der Schubkarre, fuhr sie die Rampe hoch zur Haustür und verschwand im Inneren.

Eine gefühlte Ewigkeit saß ich noch auf dem Schaukelstuhl und starrte ihm hinterher.


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