Ein Happy Bean für Hattie - Kapitel 2
Kaffee mit einer Prise Aufregung
Der Tag zog sich in die Länge, als würde jemand absichtlich die Uhr verlangsamen. Und meine Aufregung steht ins Unermessliche, je näher der Termin mit Mr. Grant rückte. Die Kaffeemaschine summte beruhigend, doch mein Herzschlag schien eher einem aufgeregten Trommelwirbel zu gleichen.
Etwa eine Stunde vor dem Termin beim Notar betrat Mrs. Jefferson das Happy Bean. Ihre knallrote Handtasche und der unverkennbare Duft von Chanel No. 5 kündigten sie schon von Weitem an.
»Hattie, mein Darling!«, rief sie mit einer Stimme, die wie eine Mischung aus Großmutter und General klang. Man kam gar nicht umhin, sie gernzuhaben. Zumindest ging es mir so. »Ist unser üblicher Tisch frei?«
Ich schenkte ihr ein breites Lächeln. »Natürlich, Mrs. Jefferson. Euer Lieblingsplatz ist wie immer bereit.«
Die Rentnergruppe trudelte eine nach der anderen ein. Bald schon füllte das aufgeregte Geplapper der Damen den Coffee Shop. Es war immer eine Freude, ihre Geschichten zu hören, auch wenn ich sie schon unzählige Male zuvor gehört hatte. Doch heute schien ein anderes Thema im Mittelpunkt zu stehen.
»Habt ihr von dem neuen Fotografen in der Stadt gehört?«, begann Mrs. Jefferson und zog alle Blicke auf sich. »Er soll äußerst charmant sein und aussehen wie ein Filmstar.«
Ein wissendes Lächeln huschte über mein Gesicht, während ich ihnen den frisch gebackenen Karottenkuchen servierte.
»Nur weil er gutaussehend und charmant ist, heißt das nicht, dass er Interesse an dir hat, Martha.«
»Aber an dir, Trudy?«
Bevor die Runde vor mir in einen Streit verfallen würde, bei dem die Damen sich nicht zu schade waren, ihre Handtaschen zur Untermauerung ihrer Argumente einzusetzen – ja, ich sprach hier aus Erfahrung –, entschied ich mich, schlichtend einzugreifen.
»Ihr sprecht sicher von Sam«, sagte ich und versuchte gleichzeitig, meine Stimme möglichst gleichgültig klingen zu lassen.
»Oh, Hattie, du kennst ihn schon?« Mrs. Jeffersons Augen funkelten vor Neugierde.
Mir schwante Böses.
»Er war heute Morgen hier und hat sich einen Flat White bestellt«, erklärte ich und spürte gleichzeitig, wie Wärme in meine Wangen kroch. »Er ist Fotograf und arbeitet für den Tourismusverband Michigan.«
»Ein Fotograf, der gut aussieht und charmant ist? Oaks Harbor wird ja richtig aufregend«, kicherte Mrs. Hopkins, bevor sie nach ihrer Kaffeetasse griff.
Wissend sah Mrs. Jefferson zu mir auf.
»Du scheinst ja bereits bestens informiert zu sein, meine Liebe.«
Bevor ich darauf reagieren konnte, wurde ich vom Läuten der Eingangstür gerettet. Und staunte nicht schlecht, als kein Geringerer als besagter Fotograf das Happy Bean betrat.
Als hätte er gespürt, dass über ihn gesprochen wurde.
Seine Präsenz schien sich augenblicklich im gesamten Coffee Shop auszubreiten und ich hielt unwillkürlich die Luft an. Während er direkt am Eingang stehen geblieben war, huschten seine Augen suchend durch die Gegend.
Bis sie schließlich auf mir liegenblieben und ihr gesuchtes Objekt gefunden zu haben schienen.
Ging es nur mir so oder hatte sich die Welt plötzlich aufgehört zu drehen?
»Hattie«, sagte er, als er näher kam. »Darf ich dich kurz sprechen?«
Ein Hauch von Panik ergriff mich, als ich einen Blick zu den Seniorinnen riskierte. Natürlich starrten sie zu uns hinüber, die Neugier eindeutig auf ihren Gesichtern erkennbar.
»Na klar«, antwortete ich bemüht gelassen und führte ihn zur Seite.
»Ich wollte mich noch einmal für den Kaffee heute Morgen bedanken«, begann er, seine Stimme wieder dieser tiefe, samtige Klang, der mich wie elektrisiert zurückließ. »Und ich wollte fragen, ob du vielleicht Interesse hättest, mir ein wenig nach deiner Schicht die Stadt zu zeigen. Ich könnte jemanden gebrauchen, der sich hier auskennt.«
Das klang nicht wie die Einladung nach einem Date. Nichtsdestotrotz machte mein Herz vor Freude einen Sprung.
Der gutaussehende Fotograf wollte Zeit mit mir verbringen!
Damit du ihm seine Arbeit erleichterst, erklang es zynisch aus meinem Inneren.
Ich stellte mich taub.
»Das klingt nach einer tollen Idee«, antwortete ich schließlich. »Aber heute Nachmittag habe ich einen wichtigen Termin.«
»Kein Problem.« Wieder dieses Lächeln, welches mich noch um meinen Verstand bringen würde. »Vielleicht ein anderes Mal.«
Er griff in seine Hosentasche, holte wie schon am Morgen sein Portmonee hervor, als er seinen Kaffee bezahlen wollte, und zog eine kleine Karte heraus.
»Meld dich, wenn du Zeit hast.«
Zögernd nahm ich die Karte entgegen, während die Schmetterlinge in meinem Bauch Saltos schlugen. Ich ließ den Blick von ihm zu der Visitenkarte wandern und konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf meine Lippen stahl.
»Das mache ich.«
»Bis bald, Hattie«, verabschiedete er sich mit einem tiefen Blick in meine Augen und verließ das Geschäft, während ich noch immer leicht benommen dastand und Schwierigkeiten hatte, das eben Geschehene zu verarbeiten.
Mrs. Jefferson und ihre Freundinnen warteten natürlich nicht lange, um wieder meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Was wollte er denn?«, fragte die resolute Anführerin ihrer Gang. Ich konnte eindeutig erkennen, dass sie Schwierigkeiten hatte, ein verschmitztes Grinsen zu unterdrücken.
»Er wollte nur, dass ich ihm die Stadt zeige«, antwortete ich und versuchte, beiläufig zu klingen, obwohl mein Inneres aufgeregt jubelte.
»Na, dann haben wir ja bald die nächste Hochzeit in Oaks Harbor«, freute sich Mrs. Jefferson. Die anderen Damen stimmten sofort in das Gelächter mit ein.
Ich schüttelte jedoch resolut den Kopf.
Ob über die Haargespinste der Seniorengruppe oder die unwirkliche Situation, deren Zeugin ich so eben geworden war und die sich wie ein Traum angefühlt hatte, konnte ich nicht sagen ...
Fortsetzung folgt ...
Jennas Kaffeekasse
Wenn ihr das Bedürfnis habt, euch für meine Arbeit bedanken zu wollen, ladet mich gerne auf einen Kaffee ein. Ich danke euch!